Regiolokal: Neue Schläuche für neuen Wein!

Anstelle eines Videos möchte ich das nächste Thema auf andere Art zur Verfügung stellen. Da atmet das ganze auch gleich den Geist der „regiolokalen Kooperation“ ;-).

Video Nr. 1 hat sich mit missionstheologischen Grundlegungen beschäftigt. Video Nr. 2 hat die momentane Organisation unserer Landeskirchen erläutert. Hier ging es um die wichtigsten Pfeiler im System einer „Volkskirche“: Kirchenmitglieder, Pfarramt, Gebäude, Kasualien und die Entwicklung der Parochie. Die Schwierigkeiten sind sehr deutlich geworden.

Ich habe letztens auf einem Symposium vortragen dürfen. Neben mir waren im Panel für das Thema „Kirche im ländlichen Raum“ eine Forscherin aus Dänemark und ein Forscher aus Estland. De facto haben wir drei die gleiche Geschichte erzählt: Kirche baut zurück, zieht sich zurück, kennt beben sozialen Projekten so ziemlich nur ein Mittel, um den Wandel zu begegnen: Zentralisierung als Rückbau. Die Wissenschaftler im Raum, deren Forschungsgebiet nichts mit Kirche und Theologie zu tun hatte, fragten hier schon mit gewisser Eindringlichkeit nach: Es könne doch nicht sein, dass drei Kirchen in Europa nur zurückbauen und kaum darüber nachdenken, wie die Kirche im 21. Jahrhundert weiterbestehen kann. Es sei doch offensichtlich, dass Änderungen im Rahmen zu kurz griffen. Wir sollten doch eher über die Veränderung des Rahmens nachdenken.

Das stimmt nachdenklich, wenn Volkswirte, Gesundheits- und Versorgungswissenschaftler sowie Politikwissenschaftler so deutlich anmerken, dass die Zentralsierungs- und Rückbaugeschichte, die offensichtlich in mehreren europäischen Ländern erzählt wird, nicht hinnehmbar sein sollte.

Zwei Dinge sind an dieser Stelle wichtig: Zum einen meine ich, dass die Dynamiken des Wandels verstanden sein müssen. Auch wenn das nicht erbaulich ist: Ohne die Erkenntnis warum es mit der Organisationsform „Volkskirche“ so nicht gut weitergehen kann, neigt man wahrscheinlich eher dazu, mehr vom gleichen zu produzieren. Es werden dann Konzepte aufgelegt, die am Ende des Tages doch die Logik des Systems atmen und für die Organisation „passend“ gemacht werden. Ich denke, dass man wissen muss, was man hinter sich lässt, um Neues und Anderes erkennen und begutachten zu können.

Zum andere sollte klar sein: Ich darf nicht bei den Analysen stehen bleiben. Es gibt da nicht viel schön zu reden, gerade wenn man in den ländlichen Bereich schaut. Kirchenmitgliedschaft schmilzt dahin und die generationale Weitergabe des Glaubens geschieht nur sehr eingeschränkt. Wie gesagt: Hier darf man nicht stehen bleiben. Die Frage ist doch, wie kann der Glaube an Jesus Christus heute gelebt werden? Was brauchen wir dafür? Wie können wir als „Sara-Kirche“ die Geburt von jungen „Isaak-Kirchen“ unterstützen?

Die Metapher von Paul Michael Zulehner ist vielleicht gar nicht so schlecht. Ich würde sagen: Die DNA, das Innere, sorgt für Wiedererkennungseffekte. Die Gestalt, die Form wird anders sein. Mir geht oft die Frage durch den Kopf: Wie kann eine lutherische Minderheitenkirche in einer säkularen Diaspora Gestalt gewinnen? Kann sie klein und doch vital sein? Was braucht es dafür? Was braucht es unbedingt? Was kann sich auch verändern?

Wer diesen Gedankengang bis hierher mitgegangen ist, wird sehen: Wir brauchen neue Schläuche für neuen Wein. Wir brauchen eine neue Organisationsform. Es ist leider gar nicht so leicht, hier den Unterschied zwischen Alten und Neuem zu benennen. Wenn Dinge zu neu und zu anders sind, macht niemand mit. Und überlastende Mitarbeitende wischen auch schnell alles vom Tisch: „Haben wir schon immer so gemacht“. In Diskursen dieser Art verschwimmt der Unterschied von Regiolokaler Kirchenentwicklung und Regionalisierung schnell. Es braucht Zeit, um sich in die Sache hineinzudenken. Es braucht Zeit, um die Unterschiede zu erfassen und dann auch gestalten zu können.

Eine Frage in der Regiolokalen Kirchenentwicklung ist bspw.: Wie kann die Region zur geistlichen Heimat lokaler geistlicher Heimaten werden? Ist damit nur ein guter Gottesdienstplan gemeint, bei dem eine Pfarrerin vier Gottesdienste am Wochenende schafft? Oder schaffen wir es, die Frage anders zu stellen: Was braucht es, damit eine geistliche Heimat entsteht? Wie kann man vor Ort Kirche sein? Wie kann das mit geringeren Mittel und trotzdem guter theologischer Qualität organisiert werden?

Regiolokale Kirchenentwicklung hat im Kern den Fokus Gemeinden neu zu gründen und aufzubauen. Diese Gemeinden können in ihrem Profil und in ihrem Rhythmus höchst unterschiedlich sein.

Aktuelles Material zur Regiolokalen Kirchenentwicklung findet sich hier:

https://www.mi-di.de/themen/regiolokale-kirchenentwicklung

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